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Welches der beiden Fächer Religion oder Ethik in den Schulen verpflichtend sein sollte, ist trotz Festlegung im jeweiligen Bundesland noch immer stark umstritten. Besonders bei Grundschülern, die die Entscheidung zwischen den beiden Unterrichtseinheiten nur schwer selbst treffen können, bedeutet die Qual der Wahl deswegen, dass Eltern Überlegungen anzustellen haben, auf welchem Weg ihrem Nachwuchs welche Werte vermittelt werden sollen. Die beiden Fächer weisen dabei überraschend viele Gemeinsamkeiten, aber doch auch grundlegende Unterschiede auf.

Nach der Wiedervereinigung begann in Deutschland die Diskussion, ob Werte nicht auch jenseits der Bekenntnis zu einer bestimmten Relgionsgemeinschaft gelehrt werden könnten. Das Ergebnis war, dass im Jahr 1998 Ethik offiziell als Ersatzfach zu Religion in Grundschulen eingeführt wurde. Bis zum Alter von zwölf Jahren gilt seitdem weiterhin, dass sich Schüler vom Reli-Unterricht befreien lassen können – das vom Bundesland abhängige Ersatzfach ist dann jedoch verpflichtend.

Was ist es, das wir als Gesellschaft im Zeitalter von Globalisierung, High-Tech-Computern und Spielkonsolen,  dem Leben im sogenannten ‘globalen Dorf’ oder einem vereinten Europa an moralischen Werten benötigen? Mehr Ansichten über die Gegensätze Gut und Böse, oder doch lieber weniger? Ein breiter Konsens scheint in der Gesellschaft darüber zu herrschen, dass Werte wie Respekt, Ehrlichkeit und Solidarität auch jenseits der Familie unterrichtet werden sollten. Kirchen, so lautet das Argument der Ethik-Verfechter, können dabei allerdings nur einen Teil des demokratischen Wertespektrum vermitteln.

Wie Meinungsumfragen belegen, sprechen sich in Deutschland bis zu 50 Prozent der Bevölkerung dafür aus, Religion aus dem Stundenplan zu streichen und dadurch mehr Raum für Fächer wie Mathematik und Deutsch zu ermöglichen. Wer in anscheinend ‚wichtigeren‘ Fächern bereits schlechte Noten hat, könne sich noch weniger auf Fächer wie Religion oder Ethik konzentrieren – so das Argument. Gleichzeitig verzeichnen konfessionelle Schulen einen enormen Zulauf, da Eltern kirchliche Werte als solider empfinden als das etwas unklare Bild, das vom Ethikunterricht vermittelt werden kann. In Zeiten, in denen Jugendliche angeblich nicht mehr im Kopf haben als Shopping und Fernsehen, biete die Kirche altbewährte „Leitplanken“ in Sachen Werte, argumentieren Vertreter der Vereinigung pro-Reli öfters.

Interessanterweise sind Eltern, die sich Religionsunterricht für ihre Kleinen wünschen, gar nicht unbedingt selbst besonders christlich oder anderweitig religiös. Normalerweise möchten sie ihrem Kind nur die Begegnung mit Religion ermöglichen, damit es dann später selbst eine diesbezügliche Entscheidung treffen kann.

Eine weitere Überraschung ist, dass sich die zwei Fächer strukturell und formell nicht grundlegend voneinander unterscheiden. Auf dem Stundenplan stehen in beiden Klassen Aktivitäten wie beispielsweise Rollenspiele und Übungen, die es den Jungs und Mädchen ermöglichen sollen, sich in eine andere Person hineinzuversetzen. „Was ist denn der entscheidende Unterschied?“, mag sich manch einer fragen, den die ganze Diskussion im TV eher verwirrt. Toleranz wird zum Beispiel im Religionsunterricht damit erklärt, dass Gott überall ist und die Menschen ihm ein Ebenbild. Dadurch müssen alle Menschen toleriert und respektiert werden. Der Ethikunterricht auf der anderen Seite diskutiert unterschiedliche Lebensentwürfe und versucht, deren Entstehung zu erklären und geschichtlich darzustellen. Dabei wird auch Grundschülern klar, dass es verschiedene Antworten auf verschiedene Fragen gibt.

Kommt es zu einem Konflikt, legt der Ethikunterricht besonderen Wert darauf, dass niemand einer Person die Entscheidung abnehmen kann. So verhält es sich auch mit der Entscheidung zwischen den beiden Unterrichtsfächern – sie ist keine leichte, aber wer sich näher über Unterschiede und Möglichkeiten informiert, kann auf der Suche nach den richtigen Werten nur dazu lernen und wird die ihm richtig erscheinende Wahl treffen.