Sie sind die Sündenböcke der Nation und zählen zum beliebtesten Zeitvertreib von PC-Liebhabern. “Ballerspiele” werden regelmäßig für alle Übel verantwortlich gemacht, die der westlichen Zivilisation derzeit Kopfzerbrechen bereiten.
Von der Vereinsamung von Kindern, die ganze Tage vor Computerbildschirmen hängen und Freunde nur aus der virtuellen Welt kennen bis zu Haltungsschäden und Realitätsstörungen – die PC Spiele sind schuld. Die Sorgen reichen allerdings auch bis zu den grauenhaften Gewalttaten, die an US-Schulen und in Erfurt verübt wurden – der Ruf nach Verboten von Computer-Games wurde schnell laut. Aber auch ganz ohne Hysterie ist es für alle Eltern ratsam, sich über Risiken und Nebenwirkungen, aber auch über die Potenziale und Möglichkeiten zu informieren, die das alternative Universum des Rechners jungen Kindern bieten kann. Grundsatzempfehlungen beim Kauf von Computerspielen sind schwer zu geben – in erster Linie geht es darum, ein möglichst lockeres Verhältnis sowie vor allem gemeinsames Verständnis zu den Spielen zu entwickeln.
Wenn es um die Frage geht, welche Beziehung Kinder mit Computern eingehen und wie viel Zeit sie in Schule und Freizeit mit dieser Technologie verbringen sollten, führen sich manche Erziehungsberechtigte sofort grausame Horrorszenarien vor Augen und würden den Umgang mit Notebook und Games am liebsten schlichtweg gänzlich verbieten. Für andere Eltern kann der Kontakt mit dem Medium des 21. Jahrhunderts hingegen nicht früh genug hergestellt werden und bietet neben willkommenen Konzentrationsübungen den Umgang mit einem heute und in Zukunft unverzichtbaren Element für Beruf und Freizeit, das bereits weltweit als Allgemeinkenntnis vorausgesetzt wird. Trotzdem streiten sich sogar Experten und Lehrer regelmäßig über gute und schlechte Seiten von PC-Spielen, ebenso, wie das Thema Gewalt in Film und Fernsehen die Geister scheidet.
Einige grundsätzliche Fakten stehen jedoch fest und bieten erfreulicherweise Anlass zur Beruhigung. Denn Untersuchungen haben sowohl die immer wieder erwähnte Suchtgefahr als auch die Sorge, dass so genannte Computer-Freaks sozial verkümmern, zum Großteil als Mythos widerlegt. Die meisten Helden der virtuellen Welt haben auch außerhalb des Kinderzimmers und abseits des Rechners viele Freunde, treiben regelmäßig Sport und sind ebenso wissbegierig wie ihre Klassenkameraden. Die Angst der ‘Alten’ vor dem Neuen wird allerdings verständlich, wenn man bedenkt, dass 1950 nur rund 6% der deutschen Gesamtbevölkerung ein Radio besaßen und gut ein Jahrzehnt später nur 8% einen Plattenspieler. Ohne Frage ist die Mediennutzung von Kindern seitdem rasant angestiegen, und neben einem Fernseher sichert sich auch der PC nach und nach einen festen Platz in europäischen Kinderzimmern.
Dass es vor allem die brutalen “Ego-Shooter” sind, die unter den Computerspielen hoch im Kurs stehen, ist zunächst überraschend. “Warum muss es denn so gewaltsam sein?”, fragen sich viele Eltern, die ihrem Nachwuchs über die Schultern sehen. Auch wenn sich Schulkinder zu sogenannten LAN-Parties treffen, wird vor allem mit Games wie “Counter Strike” gezockt. Hier wird dem spielenden Kind die Möglichkeit geboten, in die Rolle von Polizei-Spezialeinheiten zu schlüpfen und dadurch Erwachsene in Extremsituationen nachzuspielen. Das Faszinierende an diesen Games wurde von Psychologen “personale Substitution” getauft. Dabei geht es unter Gleichaltrigen in erster Linie um den Austausch von ähnlichen Interessen, Kommunikation und das gemeinsame Erleben von etwas Besonderem.
Professor Jürgen Fritz von der Fachhochschule in Köln versucht in Anbetracht der allgemein herrschenden Sorgen seitens der Eltern gegenüber PC-Games zu vermitteln. Keinerlei Gewöhnung, weder an virtuelle und erst recht nicht an echte Gewalt, fände aufgrund der Ego-Shooter statt, argumentierte er jüngst. In Wirklichkeit sei Gewalt ein Ergebnis von vielen verschiedenen und sehr komplexen Ursachen, die mehr im reellen Alltag der Jugendlichen zu liegen scheinen als in der modernen Technik.
Letzten Endes ist es den Eltern selbst überlassen darüber zu entscheiden, welches PC-Spiel gekauft wird und ob es Gesichtspunkte von Gewalt enthält oder nicht. Eine Verteufelung der populären Games hat jedoch mit Sicherheit keinen positive Effekt. Ganz im Gegenteil, wer mit seinem Kind über Risiken und Nebenwirkungen mancher PC-Spiele spricht, gewinnt schon die halbe Miete und unternimmt einen großen Schritt, dem Nachwuchs eine der wichtigsten Lektionen unseres Zeitalters beizubringen. Denn der richtige Gebrauch von Medien will generationsübergreifend gelernt sein.